Jüngst sorgte in Großbritannien der Aufruf der britischen National Drought Group an die Bevölkerung alte E-Mails und Fotos zu löschen – in der Hoffnung, so den Speicher- und Kühlbedarf der Rechenzentren zu reduzieren und Wasser zu sparen – für reichlich Schlagzeilen. Hintergrund war die anhaltende Dürre und die Tatsache, dass die Kühlung der Server enorme Mengen Wasser verbraucht. Die Maßnahme stieß auf Kritik, weil das Löschen einzelner Dateien den Wasserverbrauch praktisch kaum senkt. Dennoch machte sie deutlich: Die digitale Infrastruktur hat nicht nur einen Energie-, sondern auch einen Wasser- und CO₂-Fußabdruck. Zumindest ansatzweise in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen, lohnt sich ein Blick auf die Möglichkeiten für eine digitale Nachhaltigkeit, die gerade für Deutschland als Europas größten Standort für digitale Infrastruktur von besonderer Bedeutung sein werden.
Bleiben wir vorerst bei den Rechenzentren, die es braucht, um datenintensive Anwendungen, künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste überhaupt erst bereitzustellen. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zum Stand und Entwicklung des Rechenzentrumsstandort Deutschland (Link) zeigt, warum sich auch in Deutschland eine Diskussion über eine digitale Nachhaltigkeit lohnt:
„Mit der Umsetzung digitalpolitischer Ziele aus der EU und Deutschland steigen auch die Bedarfe an digitaler Infrastruktur. Mit etwa 2.000 Rechenzentren ist Deutschland bereits der größte Standort für digitale Infrastruktur in Europa.“
Weiter heißt es:
„Der steigende Bedarf an Rechenleistung, Speicherkapazität und Datenübertragung führt zu einem kontinuierlichen Wachstum der RZ-Kapazitäten in Deutschland, das sich in den letzten Jahren sogar beschleunigt hat. Bis zum Jahr 2030 wird mit einem deutlichen weiteren Anstieg der IT-Kapazitäten auf 4.850 MW gerechnet, was einer Verdopplung gegenüber den Kapazitäten im Jahr 2022 gleichkäme. Setzt sich dieses Wachstum auch danach weiter fort, so werden die Kapazitäten eine Größenordnung von deutlich mehr als 10.000 MW im Jahr 2045 erreichen.“
Energieverbrauch
Der Stromverbrauch von Rechenzentren in Deutschland lag 2024 bei etwa 20 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Im Vergleich: Mit dieser Strommenge könnte man aktuell den Strombedarf von fast 6 Millionen Haushalten decken. Bis 2045 könnte der Stromverbrauch auf bis zu 80 Milliarden kWh ansteigen, abhängig vom Wachstum der KI-Nutzung und der Cloud-Infrastruktur.
CO₂-Emissionen
Aufgrund der hohen Energieintensität des kontinuierlichen Betriebs der IT-Geräte sind die Klimawirkungen der Rechenzentren in Deutschland zu einem hohen Anteil (mehr als 80 %) durch den Stromverbrauch bedingt. 2024 lag der Wert der Treibhausgasemissionen durch den Stromverbrauch der Rechenzentren bei 6,5 Millionen Tonnen CO₂. Im Vergleich: Ein durchschnittlicher deutscher Haushalt verursacht pro Jahr ca. 8 Tonnen CO₂. Bedingt werden die hohen Werte an Treibhausemissionen von Rechenzentren durch den Strommix in Deutschland, der aktuell noch einen nennenswerten Anteil aus fossilen Energien beinhaltet. Die Prognose ist ein Sinken der Treibhausemissionen auf 4,5 Millionen Tonnen bis 2030 aufgrund der Ziele der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Neben dem Stromverbrauch gibt es auch andere relevante Quellen für THG-Emissionen in Rechenzentren. Diese umfassen unter anderem den Bau von Gebäuden und Herstellung von elektrischem, mechanischem und IKT-Equipment, der Testbetrieb von Netzersatzanlagen (Dieselgeneratoren) sowie die eingesetzten Kältemittel in Kühlsystemen und andere klimaschädigende Gase, die für eine effektive Kühlung notwendig sind. Weit verbreitet sind noch Kältemittel mit einer hohen klimaschädigenden Wirkung. Die Freisetzung solcher Kältemittel, beispielsweise durch Leckagen, verursacht ebenso Treibhausgasemissionen.
Wasserverbrauch
Wasser ist in Deutschland ein gängiges Kühlmittel für Rechenzentren, vor allem in größeren oder energieeffizienten Anlagen. Dabei wird das Wasser durch Kühler geleitet, die die Wärme der Server aufnehmen, und anschließend über Kühltürme oder Wärmetauscher wieder abgekühlt. Laut einer Studie von der Gesellschaft für Informatik e.V. (Link) liegen in Deutschland keine spezifischen Daten zum Wasserverbrauch von Rechenzentren vor, da viele Betreiber von KI-Zentren den Wasserverbrauch nicht angeben. Da hilft aktuell nur der Blick auf die ganze Welt: Es wird geschätzt, dass das Wachstum von KI-Rechenzentren den weltweiten Wasserverbrauch bis 2027 auf 4,2 bis 6,6 Milliarden Kubikmeter ansteigen lässt. Verfasser der Studie sagen: „Ein zentrales Problem bleibt der Mangel an öffentlich zugänglichen und transparent erhobenen Daten, die eine belastbare Quantifizierung der Wassernutzung und eine systematische Bewertung von Best Practices ermöglichen würden“.
Die Informationstechnologie leistet einen erheblichen Beitrag zu den globalen CO₂-Emissionen. Dabei spielen sowohl die Herstellung einzelner Komponenten als auch der Energieverbrauch während des IT-Betriebs eine zentrale Rolle. Besonders Rechenzentren tragen maßgeblich dazu bei und verursachen rund ein Drittel der Emissionen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Auf europäischer und nationaler Ebene existieren bereits klare Vorgaben für eine effiziente und nachhaltige Energienutzung sowie zur Verringerung von CO₂-Emissionen:
Deutschland: Klimaschutzgesetz und Energieeffizienzgesetz
EU: Klimaschutzrahmen und IKT-spezifische Empfehlungen
Vor dem Hintergrund der globalen Klimaziele ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren weitere Regelungen in Kraft treten werden, die Unternehmen verstärkt betreffen.
In einer Zeit, in der Digitalisierung und Klimaschutz Hand in Hand gehen müssen, rückt energieeffizientes Computing zunehmend in den Fokus. Der Energiebedarf digitaler Systeme wächst stetig – getrieben durch datenintensive Anwendungen, künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste. Gleichzeitig verschärfen sich die gesetzlichen Anforderungen, Betriebskosten steigen in schwindelerregende Höhen und der Nachweis des CO₂-Fußabdrucks wird mehr und mehr zur Realität.
Energieeffizientes Computing kombiniert mehrere Hebel: Standortwahl, Kühlungstechnologien, Hardwarearchitektur, Softwareoptimierung und Nutzung von Abwärme. Große Player zeigen, dass Energieeinsparungen von 30–90 % je nach Ansatz erreichbar sind. Besonders spannend ist, dass KI selbst genutzt wird, um Rechenzentren effizienter zu betreiben – eine Art „intelligentes Energiemanagement“.
Hier einige Beispiele für spannende Ansätze:
KI-optimierte Rechenzentren
KI-Systeme steuern die Kühlung von Rechenzentren. Sensoren messen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Stromverbrauch in Echtzeit. Ein Machine-Learning-Algorithmus passt die Kühlung dynamisch an, um Überkühlung zu vermeiden.
Hardwareseitige Optimierung
Weniger „energiehungrige“ Chips aufgrund niedrigerer Leistungsaufnahme pro Rechenoperation. Dadurch sinkt der Energieverbrauch und Wärmeentwicklung, was den Kühlbedarf reduziert.
Softwareseitige Optimierung
Mehrere Workloads teilen sich dieselbe Hardware, wodurch Leerlaufenergie reduziert wird. Arbeitslasten werden in Zeiten niedriger Strompreise oder niedriger Außentemperaturen verschoben.
Rechenzentren unter Wasser
Server befinden sich in hermetisch versiegelten Modulen unter Wasser. Die Kühlung erfolgt durch das Meerwasser direkt, ohne energieintensive Lüftung oder Klimaanlagen.
Rechenzentren in kalten Regionen
Die kalte Außenluft wird als freie Kühlung (Free Cooling) genutzt. Die Gebäude sind durch Luftkanäle sind so konstruiert, dass die Luftstromführung optimiert wird.
Abwärmenutzung
Einspeisung der Abwärme von Rechenzentren ins Fernwärmenetz, z.B. für Bürogebäude, Schwimmbäder oder Wohnkomplexe.
Für zuvor genannte Projekte sind tatsächlich riesige Investitionen nötig, die sich nur große Tech-Konzerne leisten können. Für kleinere Unternehmen sind diese Lösungen oft unrealistisch. Daher stellt sich die Frage, was KMU tun können, um im Bereich digitale Nachhaltigkeit dem technologischen Fortschritt folgen zu können. Letztlich ist es auch eine strategische Notwendigkeit, um Kosten zu senken, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und gesetzlichen Vorgaben zur CO₂-Reduzierung gerecht zu werden.
Es gibt auch zahlreiche Ansätze für KMUs und mittelständische Betriebe, die deutlich kosteneffizienter sind:
Energieeffizientes Computing ist heute nicht nur ein technisches Nice-to-have, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen und die Umwelt. Für Unternehmen bedeutet es direkte Kostenersparnis, weil weniger Strom für Server, Kühlung und IT-Infrastruktur benötigt wird. Gleichzeitig steigert es die Wettbewerbsfähigkeit, denn moderne, energieoptimierte Systeme arbeiten oft effizienter, schneller und zuverlässiger. Darüber hinaus stärkt ein nachhaltiges IT-Management das Image gegenüber Kunden, Partnern und Investoren – Nachhaltigkeit ist längst ein Wettbewerbsvorteil. Für die Umwelt ist energieeffizientes Computing essenziell, weil Rechenzentren zu den größten Stromverbrauchern der digitalen Welt gehören. Jedes eingesparte Kilowatt reduziert den CO₂-Ausstoß und den Verbrauch von Ressourcen. Zusammengefasst: Energieeffizientes Computing ist eine Win-Win-Strategie.